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12. Mai 2023
Sprich mit mir
Fachtag diskutiert wie Teilhabe für Menschen mit Hörschädigung gelingen kann

Fachtag diskutiert wie Teilhabe für Menschen mit Hörschädigung gelingen kann
Sprich mit mir
Stefan Behmann, Leiter des Fritz-von-Waldthausen-Zentrums, Julia Demann, Wissenschaftsjournalistin und Moderatorin des Tages, Werner Brosch, Leiter des Internats für hörgeschädigte Schüler*innen, Dr. Dieter Schartmmann Leiter des Fachbereiches Eingliederungshilfe des LVR, Dr. Oliver Diplom-Psychologe, Martin Gierse, Vorstand des Diakoniewerks Essen, Carsten Bluhm, Leiter des Jugendamts Essen, Jörg Lehmann, Geschäftsbereichsleiter der Jugend- und Familienhilfe im Diakoniewerk Essen und Judith Oswianowski vom Projekt "Inklusion Jetzt!"
Sprich mit mir
Fachtag diskutiert wie Teilhabe für Menschen mit Hörschädigung gelingen kann
Heißt Inklusion, dass wir keine Einrichtungen wie ein Internat für Hörgeschädigte mehr brauchen oder können genau Einrichtungen wie diese wertvolles Empowerment leisten und zum Türöffner für mehr Teilhabe werden?
Eine spannende und spannungsgeladene Frage, der beim Fachtag "Sprich mit mir" am 12. Mai im Internat für hörgeschädigte Schüler*innen und Schüler in Impulsvorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops nachgegangen wurde. Teilgenommen haben rund 75 Menschen, die in ihrem beruflichen Alltag in unterschiedlicher Art und Weise mit dem Thema in Berührung kommen.
Inklusion ist der Leitgedanke der UN-Behindertenrechtskonvention und prägt seit fast zehn Jahren mehr und mehr die gesellschaftliche Haltung und unser Handeln. Das Ziel: gleichberechtigte Zugänge für alle Menschen. Was aber genau heißt das? "Für mich bedeutet Teilhabe, einen geringen Leidensdruck zu verspüren und so stabil in meiner Identität zu sein, dass ich sagen kann: Ich mag mich mit meiner Hörschädigung", erklärte Dr. Oliver Rien, als Diplom-Psychologe im SRH Berufsförderungswerk Heidelberg tätig und selbst hörgeschädigt. Deutlich wurde aber schnell, wer fünf Menschen nach ihrer Definition von Inklusion fragt, wird fünf verschiedene Antworten erhalten, denn Inklusion wird individuell erlebt. Auf dem Weg sind also viele Perspektivwechsel, viel aufeinander Zugehen und viel miteinander Reden nötig.
Der Titel des Fachtags "Sprich mit mir" traf somit den Kern.
Wer miteinander spricht, hat die Chance, verstanden zu werden und auch selbst besser zu verstehen. "An alle die wissen, wie der Hase läuft: er hoppelt", ein Bild, mit dem Dr. Dieter Schartmann, Leiter des Fachbereiches Eingliederungshilfe des LVR, zum Ausdruck brachte, dass Inklusion ein Ziel ist, auf das wir uns zubewegen, bei dem aber niemand die perfekte Route kennt. Alle als Lernende. Eine Position, der auch Carsten Bluhm, Leiter des Essener Jugendamtes, zustimmte.
Das Mikrofon wird beantragt, weil die Schule ihren Job machen will und nicht, weil der hörgeschädigte Schüler ja wieder seine "Extrawurst" braucht.
Dr. Oliver Rien nahm die Teilnehmenden in seinem Impulsvortrag sehr lebendig mit in den Alltag von Menschen mit Hörschädigung, die seiner Erfahrung nach oft Meister*innen darin sind, das eigene Handicap möglichst gut zu verbergen, um nicht ständig eine Last zu sein. Doch genau das macht Teilhabe oft unmöglich. Wer als Hörgeschädigte*r teilhaben will, muss sich outen, muss sagen, dass er oder sie so nicht versteht, besser an einem anderen Platz sitzt, das Fenster wegen der Störgeräusche gern schließen würde... Die Gruppe der Menschen mit Hörschädigung in Deutschland ist mit ca. 13 Millionen groß. Ihr Protest eher klein. Das deckt sich mit dem, was Dr. Oliver Rien immer wieder erlebt. Mit fast jeder Klasse macht er diesen Versuch. Er betritt den Raum und schaltet das Licht aus. Es passiert nichts. So gut wie nie meldet sich eine Schülerin oder ein Schüler zu Wort und bittet darum, das Licht wieder einzuschalten, weil es nur so möglich ist, von den Lippen abzulesen.
Aufmerksamkeit ist also notwendig!
Das gilt auch im Spannungsfeld, in dem Bundesteilhabegesetz und seine praktische Umsetzung stehen. Zum einen gilt der gesetzliche Anspruch auf Chancengleichheit. Zum anderen sollen möglichst Kosten eingespart werden. Wo aber beginnt Sparen am falschen Ende? Hörschädigung ist ein äußerst komplexes Thema. Technik kann viel, aber nicht alles. Das Hörgerät, das für den einen passt, muss für die andere noch längst nicht richtig sein. Es braucht viel Wissen und viel Wissen kann oft nur da sein, wo auch viel Erfahrung zusammenkommt. Viele Expertinnen und Experten. "Ich würde fast wagen zu sagen, dass wir Spezialeinrichtungen brauchen", sprach Stefan Behmann, Leiter des Fritz-von-Waldthausen-Zentrums des Diakoniewerk Essen, es aus. Es kann jungen Menschen enorm helfen, stabile Identitäten zu entwickeln, wenn sie sich in einem Umfeld aufgehoben fühlen, in dem sie sich nicht ständig erklären müssen und zum Sonderfall werden.
Die Diskussion ist nicht zu Ende
Aber ein guter Anfang ist gemacht. Nach der Podiumsdiskussion mit Dr. Dieter Schartmann, Carsten Bluhm, Dr. Oliver Rien, Stefan Behmann und Judith Oswianowski vom Projekt "Inklusion Jetzt!" ging der Tag weiter mit drei Workshops sowie einem Vortrag zur Inklusion hörgeschädigter Menschen aus wissenschaftlicher Sicht von Prof. Dr. Karolin Schäfer von der Universität Köln. Moderiert wurde die Veranstaltung, die auch in den Reigen des Jubiläumsprogramm "#AusLiebe" zu 100 Jahren Diakonie in Essen gehört, von der WDR-Wissenschaftsjournalistin Julia Demann.
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